Wie ich zu den Comics kam – Gastbeitrag von Karsten “Das Lexikon” Herresbach

Karsten Herresbach ist in der deutschen Comic-Szene bekannt wie ein bunter Hund. Man kennt ihn als Moderator und sehr aktiven Nutzer der drei großen Comic-Gruppen des deutschsprachigen Raumes und jeder, der dort auch aktiv ist, weiß Karstens immenses Wissen um die Comic-Welten zu schätzen. Um zu erfahren, was im Leben passieren muss, um sich den Spitznamen “Das Lexikon” zu verdienen (Anm. d. R.: Ich selbst versuche derzeit, diesen Spitznamen salonfähig zu machen *g*), erfahrt ihr in diesem aufschlussreichen “Lebenslauf”.

Wie ich zu den Comics kam.

FotoDie bunten Bilderheftchen haben mich schon immer fasziniert solange ich mich zurückerinnern kann. Angefangen hat Alles in den frühen 80ern mit Micky Maus, Fix und Foxy und Yps. Die habe ich schon verschlungen, bevor ich lesen konnte und immer erbettelt, wenn ich im Supermarkt, am Kiosk oder der Tankstelle ein Heft gesehen habe.

Als das mit dem Lesen einigermaßen klappte, wurde dann die Stadtbücherei meine nächste Anlaufstelle. Eine ganz neue Welt, so viel Auswahl. Die Helden meiner Grundschulzeit kamen Alle aus Frankreich und Belgien. Asterix, Die Schlümpfe, Tim & Struppi, Yoko Tsuno, Percy Pickwick, Johann & Pfiffikuss, Blake & Mortimer und was es noch Alles gab. Der einzige wichtige Punkt war, dass ich es noch nicht kannte, was im Laufe der Zeit schwer wurde.

Mit dem Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium kam ein neuer Schulweg, ein neuer Kiosk auf dem Schulweg und Die Spinne. Wieder öffnete sich mir eine neue Welt, die der US Superhelden und diese sollte mein Leben mehr prägen, als die Comics davor. Neben der Spinne gab es auch die Rächer, die Fantastischen Vier, Conan, Captain America, Hulk und mehr. Die Abenteuer der Marvelhelden waren viel aufregender, actionreicher und spannender, als das was ich bisher kannte. Aber im Gegensatz zu den franko-belgischen Alben waren die Superhelden Schund in den Augen meiner Eltern, den Unterschied habe ich nie verstanden, aber ich war plötzlich gezwungen meine Comics selber zu kaufen. Ein Taschenbuch mit 7 US Heften für 5,80 DM mag sich nicht nach viel anhören. Für einen Elfjährigen war das aber schon teuer, vor allem wenn man Alle wollte. So wurden die Helden meiner Kindheit von den Helden meiner Jugend verdrängt.
Die ersten Nebenjobs mit 14-15 machten das leichter und die Comicabteilung eines Kaufhauses macht wiederum das Geldausgeben leichter. Ich hatte früher durchaus mal eine Ausgabe der Gerechtigkeitsliga oder der Grünen Leuchte gelesen, aber die letzten Jahre bekam ich fast nur Marvel in die Finger. Dann hat Carlsen eine Batman Paperback Reihe gestartet, die ich Anfang der 90er gefunden habe. Die ersten 3 Bände waren Die Rückkehr des dunklen Ritters von Frank Miller, Das erste Jahr von Frank Miller und Bitte lächeln (Killing Joke) von Alan Moore, Band 5 war Grant Morrisons Tag der Narren (Arkham Asylum). Das war nicht mehr die bunte fröhliche Welt wie bei Marvel. Später folgte, auf 10 Bände aufgeteilt, Knightfall. 1993 kam Superman dazu, die Serie startete gleich mit Supermans Tod.

1996 läutete dann die größten Veränderungen ein. Die Schule war vorbei und Condor beendete sein Marvelprogramm (nicht ganz freiwillig, wie ich später erfuhr, hatte Marvel ihnen die Lizenz entzogen). Im letzten Spinne Heft wurde auf der Redaktionsseite großspurig verkündet, das es wohl für lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, das letzte Marvelheft in dieser Form in Deutschland sei. Marvel Deutschland von Panini ging etwa ein halbes Jahr später an den Start. Verzichten musste ich aber in der Zwischenzeit nicht, da der Dino Verlag aufgetaucht war. Zuerst kamen die Marvel/DC Crossover, dann Batman, Superman und die JLA. Marvel Deutschland brachte Spider-Man und die X-Men, dicht gefolgt von Wolverine. Mit Spawn von Infinity fand ich auch den ersten Image Helden. Vorbei die Zeit der kleinen Taschenbücher, alle Verlage brachten Heftserien heraus, alle Verlage hatte eine mir bisher unbekannte redaktionelle Betreuung und alle Verlage kündigten auf der letzten Seite den Termin des nächsten Heftes an. Der alte Kiosk vom Schulweg hatte längst ausgedient und jetzt konnte ich den Kiosk der Zivildienstzeit gezielt am Erscheinungstag belagern.

Davon bin ich auch nicht abgewichen, als Marvel eine Liste mit sogenannten „Comicshops“ in Deutschland veröffentlicht hat. Wozu auch, ich war mit meinem Kiosk zufrieden. Bis Panini und Dino (recht schnell) mit Sonderausgaben angefangen haben, die es nur im Comicfachhandel gab. Also die Liste mit Comicshops wieder rausgesucht und erfreut festgestellt, das es 4 oder 5 Adressen in Köln gab.

Und ein weiteres Mal eröffnete sich mir eine neue Welt. Nicht nur eine bisher unbekannte Vielfalt an franko-belgischen Alben, von der ich schier erschlagen wurde und der ich mich erst Jahre später zugewandt habe und US Comics im englischen Original, wo der Katalog ebenfalls eine ganz neue Vielfalt neben den Superhelden offenbarte, die größte Neuheit waren aber andere Menschen, die die gleiche Leidenschaft für Comics hatten. So kam es, dass meine Besuche im Comicshop immer länger wurden, um mit anderen Kunden und den Verkäufern zu diskutieren. Das endete schließlich damit, dass ich auf der anderen Seite der Theke landete und selber zum Mitarbeiter wurde.

Hier begannen nun die letzten großen Veränderungen, der schleichende Wechsel von Deutsch zu US Comics, das wiedererweckte Interesse an franko-belgischen Alben (Deutsch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse) und außerdem ein immer größeres Interesse an den Hintergründen im US Markt.

Das Internet nahm ab Ende der 90er auch einen immer größeren Stellenwert ein. Seiten wie Newsarama und Comicbookresources waren schon damals erste Anlaufstelle für US News, neben dem Wizard Magazin. Auf deutsch waren das Comicforum und später auch das Paniniforum die wichtigsten, um die Stimmung der Leser einzufangen.

Dem großen Traum folgte dann der große Absturz. Als so 2003/2004 der Laden pleite gemacht hat, war nicht nur die Comicquelle, sondern auch gleich der Job weg. Die notwendigen Einschränkungen beim Comickauf machten mir erst richtig bewusst, dass die Superhelden zwar immer einen besonderen Platz in meinem Herzen behalten werden, aber die richtig guten und interessanten Sachen außerhalb der Welt der bunten Kostüme zu finden waren.

Seit 2007 bin ich auch beruflich wieder in der Branche, als Großhändler für Comicmerchandise.

Auch Online bin ich mit Unterbrechungen schon länger aktiv. Im Paniniforum war ich als Kaine von 2004 bis 2008 recht aktiv und auf Facebook seit rund 2-3 Jahren in den 3 großen deutschen Gruppen Comicfans, Marvel Fans Deutschland und DC Fans Deutschland.

Auch wenn ich mittlerweile fast reiner US Leser bin, freut es mich, dass die deutsche Comicszene momentan mal wieder im Aufwind ist und besonders die Vielfalt steigt.