Rezension – Offenbarungen (Popcom)

In nomine Patris et Filii et… ach komm!
Heute möchte ich mich mal einem Werk widmen, über das ich eher zufällig gestolpert bin und das mich nachhaltig schwer beeindruckt hat: „Offenbarungen“ von Paul Jenkins, in grandiose Bilder gefasst von Humberto Ramos.

(©Dark Horse, erschienen bei Popcom)

Deutscher Titel: Offenbarungen
Verlag Deutschland: Popcom
Verlag Original: Dark Horse
Format:
 Hardcover
Sprache: Deutsch
Erscheinungsdatum: Februar 2016
Autor(en): Paul Jenkins
Zeichner: Humberto Ramos

Seiten: 168
Preis: 16 €
Bezug: Tokyopop


 

(©Dark Horse, erschienen bei Popcom)

 

Wie ich an anderer Stelle schon mal erwähnt habe, bin ich erst seit kurzem wieder im Comic-Bereich unterwegs. Nach rund 20-jähriger Abstinenz fand ich Ende 2016 glücklicherweise zurück zum Medium und meine Liebe zur Neunten Kunst wurde neu entfacht. Die Flamme war nie wirklich aus, aber jetzt lodert das Feuer wieder lichterloh. Zum Einstand suchte ich mir die denkbarst schwerste Lektüre aus und startete mit Art Spiegelmans unglaublich erschütterndem Meisterwerk „Maus“. Nach dieser niederschmetternden (weil wahren) Lektüre war ich neugierig auf mehr Lesestoff und begann zu stöbern. Und was soll ich sagen… ich wurde erst mal von einer ordentlichen Lawine überrollt! Was sich in 20 Jahren Auszeit alles getan hat, meine Fresse. Natürlich wollte ich auch mal bei den alten Bekannten, also den vertrauten Superhelden von Marvel und DC, reinschauen und bekam prompt die nächste Lawine vor den Latz geknallt. DC war dank des Startes von „Rebirth“ noch verhältnismäßig gnädig mit mir und der Zugang fiel (trotz tonnenweise Nachholbedarfs) erheblich leichter als bei den Kollegen von Marvel, die mir erstmal die volle „Civil War II“-Breitseite verpassten. Da ich aber im Superhelden-Genre sowieso die eher unkonventionellen Charaktere bevorzuge, konnte ich unabhängig von diversen Groß-Events, problemlos in einige Mini-Serien einsteigen und mich so vorsichtig voran tasten. Einige Klassiker und Meilensteine beider Verlage MUSSTE ich natürlich nachholen und bin aktuell sogar immer noch dabei. Ein Fundament sollte man meiner Meinung schon schaffen um bei dem haufenweisen Event-, Crossover- und Universen-Wirrwarr nicht ins bodenlose zu stürzen.

Hauptsächlich lag mein Augenmerk aber auf abgeschlossenen Geschichten, One-Shots und Graphic Novels und so notierte ich mir, quer durch alle bekannten Verlage, die für mich augenscheinlich interessanten Titel. Im örtlichen Comic-Shop („Comic-Treff“ in Duisburg… schönen Gruß!) traf mich dann Lawine Nr.3 und wie auf Wolken glitt ich durch die bis unters Dach vollgestopften Hallen. Gut… Hallen ist jetzt etwas übertrieben, aber die Masse an Veröffentlichungen und Merchandise-Artikeln bescherte mir den ersten Farben-Flash seit James Camerons total überbewertetem Schlümpfe/West Side Story-Crossover „Avatar“. Seit ich dort so herzlich aufgenommen wurde, verlasse ich den Laden regelmäßig gut bepackt und deutlich erleichtert (was auf den Inhalt der Brieftasche bezogen ist…). Bei einer dieser ausgedehnten Expeditionen durch den Blätterwald im Comic-Dschungel fiel mir ein Buch in die Hände, welches mich allein durch seine grandiose Cover-Gestaltung schon niederstreckte.
Offenbarungen“, geschrieben von Paul Jenkins und perfekt illustriert von Humberto Ramos, sprang mich förmlich an und nach kurzem Blick auf die Inhaltsangabe stand für mich fest „MUSS… BUCH… KAUFEN…“ um in Comic-Sprache zu bleiben. Wurde ich enttäuscht? Nein, natürlich nicht… sonst würde ich den ganzen Bums hier ja gar nicht schreiben. Aber mehr noch, ich wurde perfekt unterhalten und im letzten Drittel hat die Spannung des Vatikan-Mystery-Thrillers mich förmlich zerstört. Ich habe das Buch seitdem bereits mehrfach erfolgreich weiter empfohlen und Dank des Captains kann ich Euch die Schwarte nun auch ans Herz legen:

Die Geschichte von „Offenbarungen“ beginnt auf den ersten Blick mit einem Selbstmord. Ein Kardinal, der als Nachfolger des im Sterben liegenden Papstes gehandelt wird, stürzt aus dem Fenster und wird beeindruckend auf einen Metall-Zaun gespießt. Hier setzt Ramos direkt mal eine zeichnerische Marke und zeigt, dass trotz der absichtlichen Überzeichnung der Charaktere, die dadurch einen unrealistischen Anstrich verpasst bekommen haben, man es hier mit einer erwachsenen und sehr ernsten Story zu tun hat. Im Vatikan und bei den zuständigen Ermittlern herrscht Ratlosigkeit und so reist ein Kardinal namens Marcel nach England, um seinen alten Schulfreund Charlie Northern zu kontaktieren. Der Vollblut-Atheist, der seinen Glauben nach einer familiären Tragödie zum Teufel gejagt hat, ist praktischerweise Detective bei Scotland Yard und folgt der Bitte seines alten Freundes. In den heiligen Hallen des Vatikans angekommen, rennt der schrullige Zyniker Northern, mit seiner dauerfluchenden Art auf höchstem Niveau, nicht gerade offen Türen ein und eckt an, wo man nur anecken kann. Die unkonventionelle Art des kettenrauchenden Detectives wirbelt mehr Staub auf, als sich auf allen erhältlichen Dan Brown-Romanen ansammeln könnte und ihm wird klar, dass er in ein Wespennest gestochen hat. Je tiefer Charlie Northern gräbt, umso gefährlicher wird sein Aufenthalt und der dahinscheidende Papst ist im Begriff, ein Geheimnis weiter zu reichen, dass die gesamte katholische Kirche in den Abgrund stoßen könnte.

Heilige Schei… Moment, das Fluchen überlasse ich dann doch lieber Mr. Northern, aber das Ende hat mich (ohne zu spoilern!) fast aus der Hose geschossen. Der Scotland Yard-Detective wandelt als Mischung aus Sherlock Holmes und Mickey Rourkes Harry Angel aus „Angel Heart“ auf den Spuren von Dans Browns Robert Langdon und deckt in dieser spannenden und sich kontinuierlich steigernden Geschichte Geheimnisse auf, bei dem es einem als Leser die Kinnlade aus der Fassung hüpfen lässt. Was als klassische Detektiv-Geschichte beginnt, steigert sich in Unvorstellbares und lässt den geneigten Spannungs-Fanatiker mit einem, mit dem Vorschlaghammer gezogenen, Scheitel das Buch zuklappen.
Autor Paul Jenkins kurbelt diesen Mystery-Kracher nicht einfach runter. Nein, er erzählt dicht, filmreif und dreht kontinuierlich an der Spannungsschraube. Der Brite, der unter anderem Abenteuer von „Spawn“, „Hulk“, „Captain America“, „Hellblazer“ oder den „Teenage Mutant Ninja Turtles“ zu Papier brachte, legt mit dieser sechsteiligen Mini-Serie, die in den USA in Heftform bei Dark Horse erschien, die Messlatte extrem hoch und zeigt zusammen mit Ausnahme-Künstler Humberto Ramos, wie man einen packenden Plot auch noch fantastisch und eindrucksvoll verpacken kann. Ramos ist neben Arbeiten für DC und Marvel auch für die von ihm erdachte Reihe „Crimson“ verantwortlich. In „Offenbarungen“ hat sich der mexikanische Künstler in meinen Augen aber selbst übertroffen und drückt dem Buch somit seinen detaillierten und unproportionierten Stempel auf. Die beeindruckende Kolorierung fängt mit ihren warmen, künstlerischen Wasserfarben die Stimmung perfekt ein und setzt so das i-Tüpfelchen auf das Gesamtwerk. Gemeinsam arbeiteten Jenkins und Ramos bereits an „Fairy Quest“.

Der Popcom-Verlag veröffentlichte „Offenbarungen“ im Februar 2016 als hochwertige Hardcover-Ausgabe, deren eben bereits erwähnte Front-Gestaltung mit einer Spotlack-Veredlung im Titel-Schriftzug bedacht wurde. Auch für den Preis muss man Popcom lobend erwähnen, denn für qualitativ ähnliche Veröffentlichungen kann man bei manch anderen Verlagen mal locker das Doppelte auf den Tisch legen. Selbst das wäre es aber wert, da auch der Inhalt mehr als überzeugt.