Brodecks Bericht (Reprodukt /Dargaud)

Zurück aus der Sommerpause, gibt’s direkt ein wahres Meisterwerk aus dem Hause Reprodukt. Mit “Brodecks Bericht” liefert Manu Larcenet (Blast) eine Romanadaption, die bedrückender und aktueller kaum sein könnte. Warum ich von diesem Werk dermaßen begeistert bin und weshalb diesen Comic wirklich jeder lesen sollte, erfahrt ihr im nachstehenden Bericht.

(©Dargaud, erschienen bei Reprodukt)

Deutscher Titel: Brodecks Bericht
Verlag Original: Dargaud
Verlag Deutschland: Reprodukt
Format: Hardcover
Sprache: Deutsch
Erscheinungsdatum: 01.04.2018 (2. Auflage)
Autor(en): Manu Larcenet
Zeichner: Manu Larcenet

Seiten: 328
Preis: 39,00 €
Leseprobe: Reprodukt
Bezug: Reprodukt


(©Dargaud, erschienen bei Reprodukt)

Des Comix Handlung:
“Es ist Winter kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Abseits von einem kleinen Dorf im deutsch-französischen Grenzgebiet lebt Brodeck. Als er eines Abends in das Wirtshaus geht, trifft er auf eine schauerliche Szene: Die Dorfgemeinschaft hat soeben kollektiv einen Fremden ermordet. Brodeck ist entsetzt, doch die Männer zwingen ihn, einen Bericht zu verfassen, der ihre Tat rechtfertigen soll. Widerwillig beginnt er für die Dorfbewohner zu schreiben und während er mehr und mehr von den Abgründen der Tat erfährt, gerät er allmählich selbst ins Visier ihrer Drohungen…”
– Inhaltsangabe gemäß Reprodukt

Des Captains Eindruck:
Manu Larcenet hat spätestens mit seiner vierteiligen Blast-Reihe gezeigt, welch Talent in ihm steckt und die Romanadaption “Brodecks Bericht“, im Original von Philippe Claudel geschrieben, bildet hier keine Ausnahme. Larcenet bedient sich erneut einem einfach gehaltenen, doch beeindruckend vereinnahmenden Zeichenstil. Schwarze Tusche auf weißem Grund – mehr bedarf es nicht, um die Abgründe dieser Geschichte perfekt zu illustrieren.

Inhaltlich bewegen wir uns in einer Zeit kurz nach Ende eines großen Krieges. Dieser wird immer wieder thematisiert und auch die Nachkriegsatmosphäre schwingt kontinuierlich und durch den kompletten Comic hindurch mit. Alles wirkt extrem bedrückend und doch sind es nicht der Krieg oder die Soldaten, die in dieser Geschichte das Böse repräsentieren; es sind die Dorfbewohner, repräsentativ für menschliche Kollektive im Allgemeinen. Es wird nie konkret von Nazis gesprochen, doch erinnern Wörter wie “Säuberung” oder “artfremd” klar an die Rhetorik dieser Zeit und ist damit tragischerweise sogar jetzt wieder brandaktuell. Entsprechend könnten wir uns zeitlich also kurz nach dem zweiten Weltkrieg befinden – auch wenn dies nie konkretisiert wird.

Brodeck, der Hauptcharakter der Geschichte, wurde nicht in diesem Dorf geboren und auch wenn er viele Jahre dort lebte und sich in den Alltag einbrachte, war auch er immer “der Andere“, der nicht so richtig dazugehörte und dem man nie ganz vertraute. Diese Distanz Fremden gegenüber ist gerade auch in der heutigen Zeit wieder verstärkt zu beobachten und zeigt, wie skeptisch viele Menschen dem Unbekannten gegenüber sind. Insbesondere zeigt sich die Manipulationsaffinität der Masse nach den Szenen mit den Soldaten, als die Dorfbewohner relativ widerstandslos dem Aufruf zur Säuberung nachkamen, indem sie Brodeck, also denjenigen, der vermeintlich sowieso nie richtig zu ihnen gehörte, opferten, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Der moralische Aspekt wurde dabei einfach unter den Tisch fallen gelassen, denn wenn alle anderen ebenso handeln, kann man sich trotz aller Gräueltaten einreden, doch nicht so schlecht zu sein.

Manu Larcenet hat mit diesem Comic etwas geschaffen, das ich in der heutigen Zeit definitiv als Pflichtlektüre empfehlen würde. Denn auf eine subtile, doch ungemein verängstigende Art und Weise gelingt es ihm durch den Erzählstil und die beeindruckenden Bilder, die Abgründe der menschlichen Seele offenzulegen und verdeutlicht, wie schnell eine neutrale Gemeinschaft dem Bösen anheim fallen kann. Entsprechend schnell sind die 328 Seiten auch verschlungen, denn es gibt nur wenige Comics, deren Atmosphäre den Leser auch nur annähernd so vereinnahmen wie die von Brodecks Bericht.

Abschließen möchte diesen Bericht mit einem Zitat Brodecks:
“Da ich dies schreibe, begreife ich plötzlich, wie gefährlich es ist, Unschuldiger unter Schuldigen zu sein. Im Grunde nicht anders, als der einzige Schuldige unter Unschuldigen zu sein.”